Liebe Mitmenschen,

der vorliegende Haushalt ist als Gesamtkunstwerk hässlich, verwinkelt, für Otto & Ottilie Nomalverbraucherin unverständlich, geprägt von dringendsten Notwendigkeiten und eingeschränkt durch Bürokraten aus Berlin und Düsseldorf. Letztlich ein klassisches Abbild deutscher Verwaltung.

Wäre dieser Haushalt eine LP, man würde sie vermutlich „Das graue Album“ nennen. Zusätzlich versehen mit dem Hinweis “Achtung: Jetzt mit Förderkulisse statt Gestaltungsraum“.

Das Album beginnt auch direkt mit dem Evergreen „Kurze Leine“.

Von “Oben” werden wir finanziell an ebendieser gehalten, mit Schlägen vom zusammengerollten Haushaltssicherungskonzept bedroht und freuen uns trotzdem über jedes Leckerchen, dass uns die Kabinette von Mutti Merkel, Vati Laschet samt ihren Bütteln in den Bezirksregierungen vor die Nase halten.

Der Bürgermeister pariert brav und freut sich wie ein Kind – natürlich pressewirksam – über jede neue Förderzusage, die aber nichts anderes ist, als die partielle Bereitstellung von Geldern, die der Gemeinde aufgrund von Aufgabenverlagerung und fortwährender Aushöhlung des Konnexitätsprinzip durch Land und Bund zur eigenverantwortlichen Finanzierung fehlen.

Nicht das Sie mich falsch verstehen, wir begrüßen auch jeden Taler der nach Schermbeck fließt, aber wenn man die kommunale Selbstverwaltung in der Verfassung hat, sollte man diese auch dauerhaft und vernünftig finanzieren. Aber es scheint ein bisschen so, als hätte die alte Ost-CDU Teile der Planwirtschaft nach Berlin und sogar bis nach Düsseldorf “gerettet”.

Das Tolle: Bund und Land bestimmen über die Förderrichtlinien, was mit dem Geld gemacht werden darf.

Die Folge: Es ist heute wichtiger was der Fördergeber zu einem Projekt sagt, als der Gemeinderat oder gar die Bevölkerung.

Praktisch: Man läuft nicht Gefahr, einen selbstbestimmten Masterplan für die Gemeinde entwickeln zu müssen.

Passend dazu bezeichnet sich unser Gespann aus Bürgermeister und Kämmerer selbst gerne als „vorsichtige Kaufleute“ und versucht dem ganzen mit – ebenfalls grauer – Haushaltswirtschaft zu begegnen. Klappt im Rahmen der folgsamen Haushaltskonsolidierung soweit gut, ist nicht schick aber zumindest zweckmäßig und hat sich in der Vergangenheit beim Schleifen der freiwilligen kommunalen Leistungen bewährt.

Trotzdem und gerade in Coronazeiten sollte man sich immer wieder Fragen, wie wir herzlich, nett und offen bleiben können, um alles erträglicher zu machen. Umarmungen erfüllen diesen Zweck, sind aber hygienebedingt aus der Mode gekommen. Wir finden das schade und leisten uns deshalb zumindest eine dicke verbale Umarmung der Beiden mit den Worten: „Ist schon gut, beim nächsten Mal wird´s mit einem Fokus auf Umwelt, Integration und bezahlbarem Wohnraum besser.“

Ich könnte hier jetzt mustergültig noch alle Fehlentscheidungen, verpassten Gelegenheiten und jedes einzelne fehlende Sitzungsprotokoll anführen und auch, dass wir es schon vor Jahren immer besser gewusst haben. Abgesehen davon, dass das schon andere ausführlich machen, habe ich da auch mangels Sinn außerhalb des Kommunalwahlkampfs gar keinen Bock drauf.

Ich zitiere an dieser Stelle lieber einen „total erfolgreichen“ Sozi: “Hätte, hätte, Fahrradkette.”

Der Blick nach hinten kann und darf nicht Entscheidungsgrundlage für einen Haushalt sein, dessen Wirkmächtigkeit naturgemäß in die Zukunft gerichtet ist.

Jetzt könnten wir den Haushaltsplan 2021 trotzdem prinzipiell einfach ablehnen, weil er von einer CDU durchsetzten Verwaltung vorgelegt wird. Oder man lehnt ihn ab, weil einem der Bürgermeister nicht passt und man die Verwaltung sowieso doof findet. Das wäre in einem Parlament ein gangbarer Weg.

Dann sollte man das auch klar sagen und sich nicht hinter pseudokritischen Rechtsfragen und pseudoökologischem Gebrabbel verstecken. Wer den Haushaltsberatungen im HFA gefolgt ist, dürfte wissen was ich meine: Wenn die Grünen in Schermbeck weiter so unqualifiziert rumheulen, können wir uns den Ausbau der Löschwasserversorgung sparen.

Entscheidend ist aber: Wir sitzen hier nicht in einem Parlament als Teil der Legislative, sondern sind Teil der Exekutive. Wir haben bereits Entscheidungen getroffen, deren Finanzierung durch den Haushalt lediglich abgebildet wird. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung scheinen das einige Selbstdarsteller hier nicht kapieren zu wollen oder sehen sich im Geiste schon höheren Ortes und wollen sich vorbereiten.

Wir verstehen unter guter Exekutive das aktive Biertrinken, Haltung zeigen und ein eher zupackendes Handeln anstelle von politischem Schaulaufen mit endlosen Debatten darüber, was wer, wann, wo und warum falsch gemacht hat. Ihr alle in Rat und Verwaltung habt eine ganze Menge falsch gemacht, ansonsten würden wir hier nicht als drittstärkste Fraktion im Gemeinderat sitzen.

Und was für eine Überraschung: Ihr bleibt weiter dran an eurem Kleinkrieg der Nickeligkeiten.

Gut, dass es die Partei Die PARTEI gibt! Als verlängerter Arm hat sich die Fraktion Die FRAKTION inhaltlich in den letzten Monaten in den Abstimmungen und Diskussionen und unserem Abstimmungsverhalten im Rat und in den Ausschüssen klar positioniert.

An unserem ja zur

–              Kanuanlegestelle

–              Beschaffung der Ipads für die Schulen

–              der teuren, aber notwendigen externen IT-Betreuung

–              Sanierung & Ausbau des Hallenbads

–              der weiteren Ertüchtigung der Wirtschaftswege

–              Planungskosten zur Mittelstraße

–              und der dauerhaften Einrichtung einer/eines Umwelt- und KlimamanagerInX

gibt es für uns nichts zu rütteln. Das war gut und richtig!

Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur haben in unserer ersten Haushaltsberatung Priorität gehabt und dürfen deshalb nicht nur politisches Gefasel sein, es muss sich auch in der Abstimmung zum Haushalt niederschlagen.

Zwar ist dieser Haushalt alles andere als mutig, aber er schafft zumindest Grundlagen für einen Aufbruch in Sachen Digitalisierung und Bildungsinfrastruktur. Und er stößt mit den Schüler*innenpads sogar in den fast vergessenen Raum der freiwilligen Leistungen vor, um alte Versäumnisse aufzuholen.

Ich will an dieser Stelle noch mal auf “Das graue Album” vom Anfang zurückkommen, denn grau ist auch unsere Farbe bei der Partei Die PARTEI. Bei manchen in den Haaren (sofern vorhanden) aber bei uns allen in den Anzügen. Das passt ganz gut zum Haushalt 2021 und deshalb stimmen wir zu.

Manuel Schmidt – Fraktionsvorsitzender (10.03.2021)

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